Tutanchamuns Ahnen und der Aton-Kult




Teil 1 - Die Vorgeschichte

Tutanchamuns Ahnen und der Aton-Kult



Die altägyptische Religion bestand seit Anbeginn aus einer Vielzahl an Göttern, Ritualen und lokalen, persönlichen Kulten.
Hauptgott war seit ca. 2137 v. Chr. "Amun-Re", der "König der Götter". Der Amun-Tempel in Karnak war der größte und reichste, und seine Priesterschaft somit die mächtigste des Landes.

Beinahe unmerklich entwickelte sich jedoch im Laufe der Zeit der traditionelle ägyptische Sonnenkult zu einer abgespaltenen Religion. Im Zentrum derer stand der Gott "Aton", die Personifizierung der Sonnenscheibe, als Schöpfer und Erhalter allen Lebens.

Deutlich in Erscheinung tritt der Aton-Kult zur Zeit des Pharaos Amenophis III. (auch "Amenhotep", ca. 1388 - 1351 v. Chr.). Dessen große königliche Gemahlin Teje war eine charismatische Persönlichkeit und Mitregentin über das Land.

Das Herrscherpaar war dem neuen Sonnengott sehr zugetan. Langsam und geschickt leitete Amenophis III. deshalb einen Kurswechsel in der Religion ein. Er versuchte, den Kult um Aton den Amun-Priestern entgegen zu setzen, die mittlerweile beinahe genauso einflussreich geworden waren wie der Pharao selbst.

Amenophis III. und Teje - die Großeltern Tutanchamuns.




Pharao Amenophis III.
Pharao Amenophis III.
Königin Teje
Königin Teje




Teje gebar ihrem Mann sechs Kinder. Einer der Söhne, benannt nach seinem Vater, bestieg nach dessen Tod als Amenophis IV. den Thron.

Seine Gemahlin Nofretete (auch "Nefertiti"; übersetzt "die Schöne ist gekommen"), stets an der Seite ihres Mannes, besetzte eine noch stärkere Position als ihre Schwiegermutter Teje eine Generation zuvor.




Pharao Amenophis IV.
Pharao Amenophis IV. (später "Echnaton")
Abb.: Jon Bodsworth, copyright-frei
Königin Nofretete
Königin Nofretete
Abb.: "Xenon 77", unter Creative-Commons-Lizenz




"Amenophis" bedeutet "Amun ist zufrieden". In den ersten Jahren seiner Herrschaft behielt der Pharao diesen Namen bei.
Die starke Identifikation mit dem wachsenden Aton-Kult, die seine Eltern an ihn weitergegeben hatten, brachte ihn jedoch schließlich dazu, den alten Traditionen zu entsagen.

In seinem 6. Regierungsjahr läutete Amenophis IV. eine religiöse Revolution ein, wie es sie in Ägypten weder vor noch nach ihm jemals gab und geben würde. Er änderte seinen Geburtsnamen in "Echnaton", "Der dem Aton wohlgefällig ist" oder auch "Strahl des Aton".
In Karnak, Heimstätte des großen Amun-Re-Tempels, ließ er einen architektonisch neuartigen Tempelbezirk zu Ehren Atons (den "Gem-pa-Aton") erbauen - ein Affront gegen den Reichsgott und seine Priesterschaft.

Doch es folgten noch radikalere Konsequenzen. Der Pharao ließ die Tempel anderer Götter, darunter auch den des Amun-Re, schließen und deren Repräsentanten und Priester enteignen. Außerdem ließ er die Götternamen tilgen, um ihre Existenz zu zerstören, besonders die der Gottheiten Amun-Re, Mut und Chons. Selbst die Pluralform "Götter" wurde aus bildlichen Darstellungen entfernt.

Die Geburtsstunde des Monotheismus - so heißt es. Es ist allerdings nicht sicher, ob Echnaton tatsächlich ein "Ein-Gott-Glaube" vorschwebte, wie wir ihn uns heutzutage vorstellen. Funde legen nahe, dass er die Verehrung manch alter Götter zumindest in untergeordneter Form duldete.

Nach dem Willen des Pharaos sollte Aton aber der neue Reichsgott werden, der Glaube an ihn der Mittelpunkt des Daseins, und Echnaton selbst der einzige Hohepriester, durch den der Gott sprach.
Bei seinem Volk regte sich erbitterter Widerstand gegen diese radikalen, ketzerischen Umwälzungen.

Um vollends mit der alten Religion zu brechen und sich der spannungsgeladenen Situation in Theben zu entziehen, ging der Herrscher noch einen Schritt weiter und verließ Theben(altägyptisch "Waset"), die bisherige Hauptstadt des Reiches, und verlegte seinen Regierungssitz an einen anderen Ort, an dem er eine neue Hauptstadt zu Ehren Atons gründete: "Achet-Aton" ("Horizont des Aton"), nahe des heutigen Amarna.
Ausgewählt hatte er den Ort nach einem göttlichen Zeichen, das ihm von Aton gegeben worden war. Es heißt, Echnaton glaubte in den Felsen der dortigen Berge die Hieroglyphe für "Horizont" zu erkennen.

Auf einer Grenzstele lässt er verlauten:

"Schaut Achet-Aton, von dem Aton wollte,
dass es ihm geschaffen werde
als Denkmal für seinen Namen und für alle Zeit!
Aton aber, mein Vater, war es, der auf Achet-Aton wies,
nicht zeigte darauf ein Beamter,
noch irgendeiner im ganzen Land zeigte darauf mit Worten,
dass er Achet-Aton an dieser Stelle erbaue,
sondern Aton, mein Vater, zeigte darauf,
dass man es ihm als Achet-Aton dort errichte."
Hieroglyphe für Achet (Horizont)
"Achet" (Horizont)




Achet-Aton, das heutige Amarna
Die Ruinen von Achet-Aton (Amarna) im Sonnenaufgang
Pharao Echnaton als Sphinx unter den Strahlen des Sonnengottes Aton (Achet-Aton, Amarna)
"Du hast dich am Himmel gezeigt, in dem du allein bist."
Echnaton als Sphinx unter den Strahlen seines Gottes Aton
(Steinblock aus Achet-Aton)

Abb.: Hans Ollermann, unter Creative-Commons-Lizenz




Nach nur dreijähriger Bauzeit zogen die königliche Familie, der gesamte ägyptische Hof und die Verwaltung nach Achet-Aton.
Während seine Anhänger in der neuen Hauptstadt unbehelligt der Anbetung Atons nachgingen, war jedoch der Kampf der beiden Religionen weiterhin im Gange, und die eigentliche Politik des Landes wurde in diesen Wirren wohl eher vernachlässigt.

Nofretete und ihr Mann hatten insgesamt 6 Töchter, von einem Sohn wird nichts erwähnt.
Sie waren das erste Herrscherpaar, das sein Privatleben in intimen Szenen in der Öffentlichkeit abbilden ließ. Stets wird die Familie von den heiligen Strahlen des Sonnengottes beschützt, und erscheint beinahe selbst als vergöttlichte Einheit einer neuen Ära.

Nofretete wird dabei in gleichberechtigter Form neben Echnaton dargestellt. Als Mitregentin mit pharaonischer Macht hatte sie ihren Mann von Anfang an dabei unterstützt, den Aton-Kult als ägyptische Hauptreligion zu etablieren.



Echnaton und Nofretete mit ihren Töchtern unter den Strahlen des Aton
Echnaton & Nofretete mit ihren Töchtern auf einem Haus-Altar aus Achet-Aton
Abb.: "Gerbil", unter Creative-Commons-Lizenz

Eine der Amarna-Prinzessinnen
Bildnis einer der Töchter von Echnaton & Nofretete
Abb.: "Siren", unter Creative-Commons-Lizenz




Wie zu dieser Zeit üblich, besaß der Pharao "Nebenfrauen", die im königlichen Harem in den Palästen des Reiches lebten. Eine dieser Nebenfrauen, mit Namen "Kija", erlangte die Gunst Echnatons und bald auch eine herausragende Stellung am Hof von Achet-Aton.

Echnatons Schwestern, die als Mitglieder der königlichen Familie am Hofe lebten, waren vermutlich gemeinsam mit ihm nach Achet-Aton gezogen. Eine davon war "Sitamun" (auch "Satamun" ), eine andere hieß "Baketaton"; wobei nicht sicher ist, ob sie nicht ein und dieselbe Person darstellen, und Satamun sich zu Ehren Atons fortan Baketaton nannte.

Einer neuen DNA-Analyse zufolge, deren Ergebnisse im Februar 2010 bekannt gegeben wurden, zeugte Echnaton mit einer seiner Schwestern einen Sohn. Sein Name: "Tutanchaton" ("Lebendes Abbild des Aton").

Inzest war zur Zeit der Pharaonen ein bewährtes Mittel, um die königliche Blutlinie "rein" zu halten.
Die Erkenntnisse der Untersuchung sind jedoch aufgrund einiger Unsicherheiten hinsichtlich des DNA-Beweises nicht so eindeutig, wie sie in der Presse dargestellt wurden.
Es ist daher durchaus möglich, dass er jenen Sohn auch mit einer seiner Töchter zeugte, oder mit der erwähnten Nebenfrau Kija.

Nach altem Brauch kümmerte sich auch eine Amme um den kleinen Prinzen. Erst durch die Entdeckung ihres Grabes im Jahre 1996 erfuhr man von dieser jungen Frau mit dem Namen "Maia". Mehrere Reliefs zeigen sie mit ihrem Schützling, außerdem trug sie laut Inschrift die Titel "Amme des Königs" und "Erzieherin des Gottesleibes".



Prinzessin Sitamun auf einem Relieffragment / Kija mit Kind auf einem Talatat-Block
Zwei der Frauen, die als Mutter Tutanchatons in Frage kommen:
Echnatons Schwester Sitamun und seine Nebenfrau Kija mit Kind (zerstörte Darstellung)

Abb. links: Wikimedia Commons, Public Domain   /   Abb. rechts: Wikimedia Commons, Public Domain
Darstellung der Amme Maia mit ihrem Schützling Tutanchamun auf einem Relief ihres Grabes
Die Amme Maia mit Tutanchaton
Abb.: Wikimedia Commons, Public Domain




Prinz Tutanchaton wuchs wahrscheinlich im Umfeld der Königsfamilie in Achet-Aton heran. Einige seiner 6 Halbschwestern, die Töchter von Echnaton und Nofretete, starben sehr jung. Auch über Nofretete wird spekuliert, dass sie bald darauf - noch vor ihrem Mann - ihren Töchtern in das Reich der Toten folgte. Man könnte meinen, der Sonnengott Aton habe seine Anhänger verlassen.
Der kleine Tutanchaton war wohl kaum 5 Jahre alt, als auch sein Vater, der Pharao, nach etwa 17jähriger Regentschaft starb.

Echnaton und sein Aton-Kult hinterließen ein Reich in Aufruhr, dessen Macht durch verfehlte Außenpolitik zu bröckeln begann.
Die genaue Thronfolge in der Zeit danach ist bis heute nicht umfassend geklärt. Ein Pharao mit Namen "Semenchkare" wird vereinzelt erwähnt, er war entweder ein weiterer Sohn Echnatons mit einer Nebenfrau, oder Nofretete, die unter diesem Namen selbst als König die Thronfolge antrat - von der aber, wie erwähnt, ein früherer Tod vermutet wird.
Tatsache jedenfalls ist, dass dieser kaum belegte Herrscher nur wenige Jahre regierte, über sein Ende ist nichts bekannt.

Von einer Gemeinschaft aus hohen Beamten, Priestern, des Generals Haremhab und des Beamten Eje wird schließlich Tutanchaton mit etwa 9 Jahren zum Pharao gekrönt. Als königliche Gemahlin war ihm Prinzessin "Anchesenpaaton" ("Sie lebt für Aton") zur Frau gegeben worden, eine seiner noch lebenden Halbschwestern.
Über seine Mutter oder eine andere Bezugsperson aus dem Königshaus gibt es keinerlei Aufzeichnungen mehr. Somit stand der Kindkönig wohl stark unter dem Einfluss des alten Wesirs Eje, der vielleicht sogar die Rolle seines väterlichen Erziehers übernahm.

Auch der Druck durch das Volk und die fast völlig entmachtete Amun-Priesterschaft auf den jungen Sohn des "Ketzers" muss groß gewesen sein. Tutanchaton beugte sich dem und begann, die Verhältnisse vor der Revolution seines Vaters wiederherzustellen.
Er änderte seinen Namen in "Tutanchamun" und den seiner Königin in "Anchesenamun", zog mit dem Hof nach Memphis um und ließ die Tempel der alten Götter wieder restaurieren.

Achet-Aton wurde dem Verfall preisgegeben, die Blütezeit der glorreichen, neuen Stadt des Sonnengottes war nach kurzer Zeit bereits zu Ende; die Steine ihrer Häuser und Tempel wurden für andere Bauten wiederverwertet. Echnaton wurde zu einem verfemten Herrscher, dessen Namen man aus den Königslisten tilgte und dessen Bildnisse (sowie die seiner Familie) man zerstörte, so wie er es mit dem "König der Götter" Amun-Re getan hatte.

Während seiner etwa 10jährigen Herrschaft vollzogen Tutanchamun und seine Ratgeber die Abkehr von Aton zurück zu Amun-Re, und die Stabilität des Landes wurde wiederhergestellt. Der Tod sollte ihn jedoch leider überraschend früh in die Riege seiner Ahnen einreihen.




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