Tutanchamun




Teil 2 - Wer war Tutanchamun?



Abseits all der Schätze seines Grabes, und all der Berühmtheit, die er dadurch in aller Welt erlangte, bleibt die wahre Person des Tutanchamun doch scheinbar verborgen im Dunkel der Jahrtausende.
Wessen Leichnam ist es, der da inmitten all seiner Kostbarkeiten bestattet lag?
In wessen Augen hatten das Gold und die warmen Farben Ägyptens einst geglänzt?

"Ein Inzestkind, von Krankheit gezeichnet" titelte der Stern im Februar 2010.
Eine DNA-Untersuchung an seiner und anderen altägyptischen Mumien schien einige Geheimnisse des Kindkönigs gelüftet zu haben. Die Presse überschlug sich mit Meldungen über einen "schwächlichen, degenerierten, verkrüppelten jungen Mann, der in keiner Weise der idealisierten, anmutigen Darstellung seiner Totenmaske ähnelte".
An Malaria sei er vermutlich gestorben, und an den Folgen seiner Knochenkrankheit. Oder doch an einer Vergiftung durch machtgierige Beamte, die selbst auf den Königsthron schielten?
Tatsache ist: Einer beweiskräftigen Überprüfung halten nur wenige dieser populistischen Aussagen stand.
Bei aller Begeisterung für die moderne Wissenschaft, die oft Licht in uralte Geheimnisse zu bringen vermag, ist es noch nicht einmal hundertprozentig erwiesen, dass Tutanchamuns Eltern tatsächlich Geschwister waren. Denn die menschliche DNA weist nach solch langer Zeit Lücken auf und kann nicht mehr genau analysiert werden.

Wer also war der Mensch Tutanchamun wirklich?






Der Kopf auf der Lotusblüte zeigt Tutanchamun als Kind
Diese beiden Bildnisse von Tutanchamun sind die herausragendsten Darstellungen des jungen Pharao. Sie zeigen ihn in zwei verschiedenen Stadien seines Lebens.

Der Kopf auf der Lotusblüte ist der eines anmutigen Knaben von etwa 8 bis 9 Jahren, kahlrasiert und mit leicht abstehenden Ohren. Er besitzt ein ovales Gesicht mit rötlich-braunem Teint, vollen Wangen und Lippen sowie großen dunklen Augen. Ein wacher, ein selbstbewusster Blick.
Spiegelt er die Realität wider?

Etwa in diesem Alter bestieg Tutanchamun, dessen Name zu diesem Zeitpunkt noch "Tutanchaton" lautete, den Thron. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieses Kunstwerk zu Beginn seiner Herrschaft angefertigt wurde.
Man kann wohl davon ausgehen, dass ein Junge dieses Alters, mit einem Mal zum Herrscher über ein Weltreich geworden, noch nicht mündig genug für dieses Amt war.
Es ist nicht bekannt, inwieweit man ihn auf eine mögliche Thronfolge vorbereitet hatte. Vielleicht war es - verständlicherweise - geradezu beängstigend für ihn, plötzlich eine so wichtige Rolle auszufüllen. Viele Wissenschaftler glauben deshalb, dass Tutanchamun in diesen jungen Jahren eher eine "Marionette" des Hofbeamten Eje und des Generals Haremhab war.
Die Zeit der Thronbesteigung um 1332 v. Chr. war daher für Tutanchamun nicht unbedingt eine Zeit der Freude, sondern vielmehr voll großer Umwälzungen, die er zu verkraften hatte.

Die Büste (evtl. war es auch eine Kleiderpuppe) zeigt ihn einige Zeit später, mit etwa 11 oder 12 Jahren. Er trägt eine Krone mit aufgesetzter Uräusschlange, unter anderem Schutzsymbol für Götter und Könige.
Als Zeichen der Abkehr von der Aton-Religion seines Vaters hieß Tutanchaton nun Tutanchamun.
Außerdem hatten er und das gesamte Königshaus die Stadt Achet-Aton zu dieser Zeit bereits verlassen und waren nach Memphis umgezogen. Einerseits vermutlich aufgrund der bedrohlichen außenpolitischen Situation, andererseits aber auch zur Vermeidung unnötiger Spannungen mit dem Amun-Klerus in Theben, der unter Echnatons Herrschaft stark unterdrückt worden war (siehe Vorgeschichte).
Die Darstellung des jungen Pharao wirkt nun reifer, dennoch zeigt sie noch immer die kindlichen Züge eines Jünglings zu Beginn seiner Teenager-Zeit.

Hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits eine Vorstellung von seiner Rolle als Pharao und seiner Macht über das Land? Traf er seine eigenen Entscheidungen?
Vielleicht unterschätzt man auch allzu leicht die Fähigkeiten eines Kindes, das schon früh Verantwortung übernehmen musste.
Tutanchamuns Kleiderpuppe oder Büste zeigt ihn als Jugendlichen mit etwa 11 Jahren





Eines der seltenen Porträts des alten Wesirs Eje
Abb.: Keith Schengili-Roberts,
unter Creative-Commons-Lizenz
Das Relief von General Haremhab auf einem Pfeiler
Abb.: "Michiel", unter Creative-Commons-Lizenz
Wesir Eje (links) und General Haremhab (rechts) waren gleich nach dem Pharao die mächtigsten Männer des Landes und hatten somit wohl einen prägenden Einfluss auf den jungen Tutanchamun. Womöglich waren sie es auch, die ihn dazu brachten, mit dem Aton-Kult seines Vaters zu brechen und Achet-Aton zu verlassen. Aufgrund der teils angespannten Zustände im Land und wohl auch aufgrund des Drucks durch die immer noch einflussreiche Amun-Priesterschaft sahen sie vielleicht auch keine andere Möglichkeit, um die Sicherheit und Einigkeit des Landes nicht weiter zu gefährden bzw. wiederherzustellen.

Eje hatte bereits unter Echnaton als Hofbeamter gedient und eine gehobene Stellung am Hof von Achet-Aton erlangt. Er trug die Titel "Gottesvater", dessen Bedeutung noch nicht geklärt ist, und "wahrer Schreiber des Königs". Es wird vermutet, dass er vielleicht sogar die Rolle des väterlichen Erziehers von Tutanchamun übernahm. Haremhab war Oberbefehlshaber des Heeres und "Stellvertreter des Königs an der Spitze der Beiden Länder". Seine militärische Karriere begann wahrscheinlich bereits unter Tutanchamuns Großvater Amenophis III.

Diese beiden altgedienten, erfahrenen Autoritäten waren es, die sich des Kindkönigs "annahmen" und im Hintergrund vermutlich die meisten Entscheidungen für den jungen König trafen.





Mit den folgenden vier Abbildungen wurden vertraute, teils intime Momente eines jungen Paares eingefangen, das einander in Liebe zugetan ist. Es sind Tutanchamun und seine Gemahlin Anchesenamun.

Auf der Rückenlehne des berühmten goldenen Throns (oben) reibt sie ihn zärtlich mit Öl ein, und auf der Wand eines kleinen vergoldeten Statuenschreines (unten) legt sie ihm ein Halsband mit Pektorale an. Aus beiden Abbildungen spricht symbolisch eine erotische Grundstimmung.

Vermutlich bereits zu seiner Thronbesteigung mit etwa 8 Jahren vermählte sich Tutanchamun mit der einige Jahre älteren Prinzessin. Die junge Frau, die damals noch "Anchesenpaaton" ("sie lebt für/durch Aton") hieß, war eine der Töchter von Echnaton und Nofretete, und damit seine Halbschwester.

Eine Geschwisterheirat selbst im Kindesalter war damals für Thronfolger nichts ungewöhnliches. Seine Schwester oder gar Tochter zu heiraten, war einem Pharao durchaus erlaubt, und eine übliche Tradition des altägyptischen Königtums.
Da die Pharaonen als Söhne der Götter galten, folgten sie damit dem Beispiel des Götterpaares Osiris und Isis, die als Bruder und Schwester ebenfalls miteinander vermählt waren.

Darüber hinaus waren Tutanchamun und Anchesenamun wohl die letzten Angehörigen der königlichen Blutlinie, denn ihre übrigen Geschwister sowie ihre Eltern lebten nicht mehr. Der Erhalt der Dynastie und des göttlichen Blutes oblag somit den königlichen Erben.
Vielleicht waren die beiden sogar bereits seit der Herrschaft ihres Vaters einander versprochen.

Ein ägyptischer Herrscher war nicht generell gezwungen, Inzest zu praktizieren. Teilweise wurden Verbindungen zwischen engen Verwandten auch nur geschlossen, um eine Legitimation für den Königsthron zu erhalten, denn ein Pharao brauchte im Normalfall eine "königliche Gemahlin", um als vollwertig zu gelten. Diese Ehen wurden jedoch im sexuellen Sinne oft gar nicht vollzogen.
Darüber hinaus gibt es im Laufe der Geschichte viele königliche Paare, die nicht miteinander verwandt waren. Auch Neben- und Haremsfrauen aus manch fremden Ländern waren für die meisten Herrscher ein Privileg ihrer Macht an der Spitze der Gesellschaft.

Tutanchamun war mit seinen 8 oder 9 Jahren wohl noch nicht alt genug, um eine solche Entscheidung willentlich zu treffen oder abzulehnen. Aber auch mit fortgeschrittenem Alter wird er es sicher nicht als Zwang empfunden haben, eine Ehe mit seiner Halbschwester zu führen. Auch wenn es für uns heutzutage kaum mehr vorstellbar ist, war dies zur damaligen Zeit nichts Verwerfliches.
Vielleicht verstand Tutanchamun es aufgrund seiner Erziehung als Treue seinen mächtigen Ahnen gegenüber, ihre Erblinie fortzuführen.

Leider gelang ihm dies in seinem kurzen Leben jedoch nicht. Zwei Töchter, die er - dem Anschein nach - mit Anchesenamun zeugte, wurden tot geboren. Inwieweit dies mit den inzestuösen Familienverhältnissen in Zusammenhang steht, bleibt Spekulation.

Trotz der hohen Säuglingssterblichkeit zur damaligen Zeit war der Verlust ihrer ungeborenen Kinder sicher ein schwerer Schlag für das junge Paar.
Wäre es dem Pharao beschieden gewesen, ein höheres Alter zu erreichen, wären die beiden wohl nicht ohne Nachkommen geblieben.
Die Rückenlehne des goldenen Throns zeigt eine zärtliche Geste zwischen Tutanchamun und Anchesenamun
Abb.: Pataki Márta, unter Creative-Commons-Lizenz
Anchesenamun legt ihrem Gemahl ein Halsband mit Pektorale an
Wenn man die gefühlvoll ausgeführten Darstellungen von Tutanchamun und Anchesenamun so betrachtet, scheint es, dass die Geschwister ein harmonisches Leben miteinander teilten. In allen Szenen wirken sie einander sehr nah.
Auch durch andere Gegenstände aus dem Grabschatz wird die Liebe des Paares immer wieder verdeutlicht.

Dies kann natürlich durchaus nur ein Überrest des "Amarna-Stils" sein, der unter Echnaton und Nofretete begann, und bei dem das Privatleben des Herrscherpaares stets idealisiert dargestellt wurde. In der altägyptischen Geschichte beruhten viele Darstellungen von Pharaonen generell eher auf Klischees als auf der Realität.
Wenn man aber davon ausgeht, dass Tutanchamun und seine Halbschwester ein ähnliches Schicksal teilten, und unter den gleichen Umständen am Königshof aufgewachsen waren, kann man mutmaßen, dass die beiden zumindest Vertrautheit verband.
Und da Anchesenamun mindestens 5 Jahre älter war als ihr Gemahl, stand sie ihm vielleicht auch als wertvolle Stütze zur Seite.

Diese zwei Darstellungen, die eine abgebildet auf einer Truhe aus dem Grab (oben), die andere auf einem Kalksteinblock (unten), zeigen die Königin, wie sie ihrem Mann Blumen überreicht.

Jedoch gleicht sich hier nicht nur die Handlung, auch ein ganz bestimmtes Utensil taucht in beiden Szenen auf: Der Stab, auf den sich Tutanchamun stützt.
Dieser erscheint wie ein anschauliches Zeugnis für eines der Ergebnisse, die die DNA-Untersuchung an der Mumie des Pharaos hervorbrachte. Danach litt Tutanchamun an einer schmerzhaften Knochenkrankheit am linken Fuß, der sogenannten "aseptischen Knochennekrose".
Auch die 130 Stäbe, die man in seinem Grab fand, und aufgrund derer Howard Carter vermutete, dass der Pharao wohl ein "Sammler" dieser Stücke gewesen sei, lassen sich damit erklären.

So konnte sich Tutanchamun also vermutlich nur mithilfe eines Stocks fortbewegen.
Diese Erkenntnis wirft ein völlig neues Licht auf den König. Und es entstehen daraus wiederum neue Fragen.
War er bereits als Kind auf eine Gehhilfe angewiesen, oder trat die Krankheit erst später auf? Plagten ihn tagtäglich starke Schmerzen, gegen die man ihm pflanzliche Mittel verabreichte? War er gar so stark beeinträchtigt, dass er Zeit seines Lebens hilfsbedürftig und gebrechlich war?
Konnte er so seiner Rolle als Pharao überhaupt gerecht werden?
Tutanchamun stützt sich auf einen Stab, seine Gemahlin Anchesenamun überreicht ihm einen Strauß Lotosblumen
Bei einem Spaziergang geht Tutanchamun am Stock, während Anchesenamun ihm Blumen pflückt





Tutanchamun im Streitwagen tritt eine Armee asiatischer Feinde in den Staub
Die detaillierte Malerei einer weiteren Truhe aus dem Grabschatz (oben) zeichnet ein völlig anderes Bild, so dass die Antwort klar erscheint: Tutanchamun, ein mutiger, äußerst agiler Herrscher, der mit Streitwagen und Bogen eine ganze Armee asiatischer Feinde zerschlägt.
Desweiteren finden sich einige Abbildungen, die den Jüngling bei der Jagd auf Enten, Strauße und sogar Löwen zeigen.
Der Straußenjagd-Fächer (unten) ist ein solches Beispiel. Er war einst mit Straußenfedern bestückt, und laut Inschrift hatte der Pharao die Tiere bei einer Jagd nahe seiner Hauptstadt Memphis selbst erlegt.
Auch die in seinem Grab gefundenen Streitwagen, Bögen und diversen anderen Waffen passen wunderbar zu diesem Szenario.

Wie lassen sich diese Darstellungen nun mit der Tatsache in Einklang bringen, dass der König offenbar unter einer schweren Knochenerkrankung litt? Konnte er jagen und kämpfen, obwohl er kaum fähig war, ohne Stock zu laufen?

Einerseits ist es höchstwahrscheinlich, dass viele Illustrationen des Lebens von Tutanchamun schlicht und einfach das Idealbild eines Regenten zeigen, so wie es das Ritual und die Religion verlangten. Sie waren nicht als Abbild der Wirklichkeit gedacht.
Der Pharao war für den geregelten Ablauf des geordneten ägyptischen Kosmos auf Erden zuständig. Er erschien daher als Ikone der Stärke und Unbesiegbarkeit, als überlegene Kraft gegen das Chaos, wie es für Ägypten z.B. fremde Völker darstellten.

Ob dieses Bild mit der Realität übereinstimmte oder nicht, stand - nicht nur im Fall von Tutanchamun - auf einem ganz anderen Blatt.

Allerdings könnte man aus der großen Zahl von Waffen, die man im Grab fand, ohne weiteres schließen, dass Tutanchamun zumindest gerne auf die Jagd ging.
Normalerweise war ein Streitwagen - anders als auf den Abbildungen - mit zwei Personen besetzt. Einem Wagenlenker, der die Zügel in der Hand behielt, und einem Bogenschützen, der auf Feinde oder Jagdtiere schoss.
Bei Jagdausflügen in das Sumpfland oder die Wüste wurde der König sicher stets von einer Truppe begleitet, die ihm schwere körperliche Tätigkeiten abnehmen konnte.
Von daher ist anzunehmen, dass auch Tutanchamun dieser Beschäftigung gerne nachging. Er war ein guter Bogenschütze und konnte wohl auch mit dem Wurfspeer umgehen. Selbst manch waghalsiges Fahrmanöver könnte er erlebt haben.
Vermutlich ließ er sich durch seine körperliche Beeinträchtigung nicht davon abhalten, seinen jugendlichen Abenteuerdrang auszuleben und die Freiheiten eines jungen Herrschers zu genießen.
Je älter er wurde, desto mehr wuchs möglicherweise auch sein Selbstbewusstsein, und desto mehr Entscheidungen wollte er als rechtmäßiger Thronerbe selbst für sein Land treffen. Vielleicht bereitete er sich tatsächlich darauf vor, eines Tages mit seiner Armee in den Krieg zu ziehen.

Längere Zeit ging man auch davon aus, dass der frühe Tod des Königs einem Unfall geschuldet war, vielleicht durch einen Sturz vom Streitwagen, da bei CT-Scans der Mumie ein gebrochenes Bein entdeckt worden war.

Tutanchamun erscheint also vielleicht nicht unbedingt als strahlender Feldherr, der bereits als Jugendlicher Schlachten anführte, so wie es auf diversen seiner Grabbeigaben abgebildet wurde.
Aber es ist ebenso unwahrscheinlich, dass er einfach nur ein gebrechlicher Krüppel war, der sein ganzes Leben hinter den schützenden Palastmauern verbrachte.
Tutanchamun im Streitwagen auf Straußenjagd





Während man aus den persönlichen Gegenständen seines Grabes einiges über das Privatleben Tutanchamuns rekonstruieren kann, ist von seinem politischen Wirken als Regent relativ wenig überliefert.
Zum Einen liegt das daran, dass Ägypten sich in einem chaotischen Zustand befand, den Echnaton und sein Aton-Kult über die Jahre ausgelöst hatten. Zum Anderen war Tutanchamuns Regierungszeit einfach zu kurz, und der Pharao starb zu jung, als dass er großen Ruhm hätte erlangen können.
In dieser Hinsicht war Tutanchamun also ein unbedeutender Pharao. Dennoch leitete er einen Wandel ein, der die ägyptische Geschichte entscheidend beeinflusste: Die Wiederherstellung der alten Ordnung und der traditionellen Staatsreligion. Er wandte sich ab vom Sonnengott seines Vaters und setzte die Amun-Priesterschaft wieder in Amt und Würden. Das Land atmete auf und begann, sich von den Wirren der religiösen Revolution zu erholen.

Auf der "Stele der Restauration" (rechts), die Tutanchamun in Theben (heute Karnak) errichten ließ, steht geschrieben:

"Als sich seine Majestät als König erhob,
waren die Tempel der Götter und Göttinnen von Elephantine bis zu den Marschen des Deltas im Begriff, vergessen zu werden,
und ihre heiligen Stätten im Zustande des Untergangs zu Schutthügeln geworden, die mit Unkraut bewachsen sind.
Ihre Gotteshäuser waren wie etwas, das es nicht gibt; ihre Hallen waren nichts mehr als Fußwege.
Das Land machte eine Krankheit durch, die Götter, sie kümmerten sich nicht um dieses Land.
Wenn man ein Heer nach Syrien aussandte, um die Grenzen Ägyptens zu erweitern,
so war diesem nicht der geringste Erfolg beschieden.
Wenn man einen Gott anrief, um ihn um etwas zu bitten, kam er nicht herbei, in keinem Fall.
Wenn man eine Göttin anrief, ebenso, kam sie nicht herbei, in keinem Fall."


Mit der Rückkehr zu den Wurzeln hatte der junge Herrscher durchaus Erfolg, denn bereits unter seinem Nachfolger Haremhab war Ägypten wieder gefestigt.
Ob Tutanchamun tatsächlich selbst für diese Schritte verantwortlich zeichnete, oder ob seine Berater die Regierungsgeschäfte mehr oder weniger für ihn übernahmen, bleibt allerdings ungewiss.

Für die baulichen Tätigkeiten Tutanchamuns im Land gibt es ebenfalls zahlreiche Belege. Zwar wurde das meiste später von seinem Nachfolger Haremhab in Beschlag genommen, der alles versuchte, um die Erinnerung an die Amarna-Zeit und den damit verbundenen Tutanchamun auszulöschen, jedoch konnte vieles nachträglich der Regierungszeit des Kindkönigs zugeordnet werden.

So zum Beispiel die Restauration und Erweiterung des großen Amun-Tempel-Komplexes in Theben (rechts), heute Karnak, wo Echnatons Herrschaft zahlreiche Schäden hinterlassen hatte.
In der Nähe des 6. Pylons findet sich daher auch eine Kolossalstatue des Gottes Amun (unten), die die Gesichtszüge Tutanchamuns trägt.


Tutanchamun in Gestalt von Amun-Re in der Nähe des 6. Pylons von Karnak
Die Stele der Restauration von Tutanchamun in Karnak (früher Theben)
Abb.: Paul James Cowie, unter Creative-Commons-Lizenz

Blick auf den 2. und 3. Pylon des Amun-Re-Tempels in Karnak. In der Mitte die große Säulenhalle, die erst nach Tutanchamun erbaut wurde




Statue von Tutanchamun und Anchesenamun in Luxor
Auch die Reliefs der Säulenkolonnade des in der Nähe gelegenen Tempels von Luxor, mit deren Ausführung man bereits unter Amenophis III. begonnen hatte, wurden unter der Herrschaft des jungen Pharaos fertiggestellt.

Diese Doppelstatue von Tutanchamun mit seiner Gemahlin Anchesenamun (links), neben dem Tor-Pfeiler der nördlichen Tempelwand, ist trotz der offensichtlichen Beschädigungen die am besten erhaltene Statue des jungen Paares. Anchesenamun sitzt in der Darstellung in gleicher Größe neben ihrem Gemahl, was - wie bereits zuvor bei Echnaton und Nofretete - von ihrem gleichberechtigten Herrschaftsstatus als Königin kündet.

Die Wand gleich rechts neben der Statue trägt ein Relief von Tutanchamun mit einer Räucherpfanne (unten).

Bei beiden Darstellungen hat Haremhab die Kartuschen seines Vorgängers mit seinen eigenen überschreiben lassen.

Die Säulenkolonnade des Tempels von Luxor zeigt auf einem Tor-Pfeiler der Nordwand das Porträt Tutanchamuns mit einer Räucherpfanne





Tutanchamuns früher Tod mit gerade einmal 19 Jahren lässt erkennen, dass die naturgegebene Härte des Lebens im alten Ägypten am Ende auch vor einem Pharao nicht Halt machte.
Etwa im Jahr 1323 v. Chr., nach 10-jähriger Herrschaft, endete mit dem Leben des jugendlichen Herrschers auch die Ära der mächtigen Pharaonendynastie der Thutmosiden.

Der Tod des Königs kam plötzlich und unerwartet, denn er wurde vermutlich zunächst in einer nichtköniglichen Gruft im Tal der Könige bestattet, und erst später in dem kleinen, ursprünglich nicht für eine königliche Bestattung vorgesehenen Grab "KV 62".

Doch woran starb Tutanchamun?
Seit der Entdeckung seines Grabes rätseln Archäologen und Wissenschaftler, es wurden Theorien aufgestellt und wieder verworfen; selbst über einen Mord wurde fantasiert, da man bei Röntgenaufnahmen einen verdächtigen Splitter im Schädel der Mumie entdeckt hatte.
Durch die neueste CT-Untersuchung Anfang 2010 können wir uns jedoch ein genaueres Bild machen.
Ihr Ergebnis besagt, dass Tutanchamun an einer schweren Form von Malaria litt. Die Tropenkrankheit, die durch den Stich der Anopheles-Mücke übertragen wird, war offensichtlich schon in der Zeit der Pharaonen verbreitet.

Da mit Malaria oft hohes Fieber einhergeht, erscheint die Tatsache, dass im Grab des Pharao Reste von fiebersenkenden und schmerzlindernden Pflanzen gefunden wurden, nun in einem völlig neuen Licht. Waren sie eine letzte symbolische Gabe, ein Symbol für die Ursache des frühen Endes des jungen Königs? Sollten sie ihn auf der Reise ins Jenseits vor dem bewahren, was ihn das irdische Dasein gekostet hatte?

Zusammen mit der aseptischen Knochennekrose, die ihn bereits längere Zeit seines Lebens gequält und seinen Körper ohnehin geschwächt hatte, war diese Infektion vielleicht verantwortlich dafür, dass Tutanchamun in jugendlichem Alter starb - und als ewig junger Pharao auch heute noch immer die Menschen bewegt.

Allerdings gibt es auch Zweifel an dieser These. Mediziner des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin in Hamburg interpretieren die Untersuchungsergebnisse anders. Die sogenannte "Sichelzellenanämie", eine erbliche Erkrankung der roten Blutkörperchen, komme aufgrund der veröffentlichten Daten ebenfalls in Frage. Die Forscher schlugen vor, eine weitere DNA-Untersuchung folgen zu lassen. Somit ist die Todesursache des Kindkönigs also noch lange nicht eindeutig geklärt.

Die einzig Überlebende der königlichen Linie war nun Anchesenamun, für die der Tod ihres Gatten großes Leid mit sich gebracht haben muss.
Als letztes Lebenszeichen gelten zwei Siegelringe, auf denen ihre Namenskartusche neben der von Eje auftaucht. Dies ist ein Hinweis darauf, dass der greise Pharao Eje sie anschließend zur Frau nahm, vermutlich als Legitimation für den Königsthron. Da jedoch auch dieser wenige Jahre später verstarb, übernahm General Haremhab die Macht im Land, und begann, die Erinnerung an den verfemten Herrscher Echnaton und die lästerliche Zeit des Aton-Kults auszulöschen.
Anchesenamun, als direkte Nachfahrin des "Ketzerpaares" Echnaton und Nofretete, war wohl ein letzter noch verbleibender Teil dieser Zeit, und ihr Schicksal somit besiegelt.

Auch der Name Tutanchamun war über die Jahrtausende hinweg längst vom Sand der Zeit und der Wüste begraben. Bis zu einem gewissen Tag, an dem ein Mann namens Howard Carter kam - und nach Äonen der Dunkelheit neues Licht auf das Leben eines Menschen und seiner Zeit fallen ließ.

Tutanchamun nach der Vorstellung einer Künstlerin - mit deutlichen Gesichtsmerkmalen des Kopfs auf der Lotusblüte
Fiktive Darstellung Anchesenamuns durch eine Künstlerin
Tutanchamun in Hieroglyphen
"Tut-Anch-Amun"
"Lebendes Abbild des Amun"
(Eigenname)


Tutanchamuns Thronname in Hieroglyphen
"Neb-Cheperu-Re"
"Herr der Gestalten des Re"
(Thronname)
Anchesenamun in Hieroglyphen
"Anch-Es-En-Amun"
"Sie lebt für Amun"
oder
"Sie lebt durch/von Amun"




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